Fahrrad fahren in Motor City

Ich hab mir vor einiger Zeit mal ein Fahrrad gekauft. Gruppenzwang. Landes typisch kam das auf den Fahrradträger auf dem Kofferraum vom SUV. Zum Die Gruppe traf sich dann auf dem Parkplatz vom Bike Trail. Alle Fahrräder runter und los gings. Die paar Fußgänger, die sich auf den Trail verirrten störten nicht weiter. War ja alles breit genug. Fahrrad-Highway sozusagen. Ab und zu schossen dann die schnelleren Rennradler an unserer Gruppe vorbei. So ging es dann zum Wendepunkt und dann wieder zurück zum Parkplatz. Fahrräder wieder auf den Fahrradträger und den SUV wieder zurck nach Hause.

Jetzt hat sich die Gruppe aus gesundheitlichen Gründen etwas zerlegt. Ein Kollege hat nach einem Unfall jetzt ein paar Schrauben und Drähte in der Wirbelsäule und kann einfach nicht mehr so, wie er will. Eine Weile musste er sogar einen "Walker" als Gehhilfe benutzen. Aber auf das Radfahren will ich deswegen nicht verzichten.

Also, nach Feierabend in die bequemen Klamotten und noch eine Runde ums Karree. Hier in Michigan sind die Gehwege durchgängig für Radfahrer frei gegeben. Allerdings haben Fußgänger dort Vorrang. Egal, scheint in Motor City die bessere Alternative zu sein. Naja. Alle Viertelmeile kommt eine Fußgängerampel, die natürlich Rot zeigt und nur auf Anforderung Grün gibt. Aber erst, wenn der komplette Ampelzyklus einmal durch ist. Dann kommt eine ca. 10 Sekündige, extra in den Ablauf eingebaute Grünphase. Und die Einfahrten in die Subdivisions. Alle mit Querungshilfe. Und Bordstein. Und Hoch. Ein Rennrad würde man sich da sofort kaputt machen. Da darf es dann auch bei den Fahrrädern ein SUV sein. Jetzt muss man noch wissen, dass in Motor City die Gehwege aus Betonplatten bestehen. Wenn da der Untergrund etwas nachgibt, dann brechen die. Und das passiert auch nicht wirklich selten. Am besten gefallen mir die Stellen, wo dann einfach mal so eine Betonplatte fehlt. Ach ja, dass die dann einfach mal aufhören ist auch nicht ungewöhnlich. Um es kurz zu machen: es macht einfach keinen Spaß. Ständig anhalten um Joggern aus dem Weg zu gehen oder irgendwelchen Ladies, die ihre Wautzis Gassi führen, oder den anderene, vorher beschriebenen Hindernissen auszuweichen.

Gehweg ist unzumutbar, also ab auf die Straße. Und oh Wunder, mein GPS meldet prompt, dass sich meine Durchschnittsgeschwindigkeit mehr als verdoppelt und auch die Spitzengeschwindigkeit bei über 25 liegt. Meilen pro Stunde. Also rund 40km/h. Und dabei bin ich überhaupt nicht im Training und das Fahrrad ist auch eher für den Wald als fü die Straße oder Bahn. Nichts, was man guten Gewissens auf dem Gehweg hinlegen kann. Das haben Wautzi und Jogger einfach nicht verdient, dass da ein Kampfradler so angeschossen kommt.

Und jetzt kommt, was kommen muss: großes Unverständnis bei den Autofahrern. Aus dem offenen Fenster dringt dann nicht nur Rhianna an meine Ohren, sondern auch "Sidewalk", in einem wenig schmeichelhaften Tonfall. Da kann ich mir nur noch denken: ja, wenn ich denn irgendwann mal einen Walker als Gehhilfe brauche...

Auf jeden Fall werde ich jetzt erst mal etwas in Sicherheit investieren. Einen Unfall, der der mich an den Walker bringt, möchte ich tunlichst vermeiden. Und ich werde einen Ausdruck der Broschüre "Was muss jeder Fahrer in Michigan wissen muss - keine Ausreden" mitführen. Mit Lesezeichen auf dem Abschnitt über Fahrräder auf der Straße. Damit ich es zu dem Fenster hineinreichen kann, aus dem gerade verbaler Unfug heraus kam. Und ich meine dabei nicht Rhianna.

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